Die Sache mit den
Gefühlen und Emotionen
Nun, ich bin ein sehr gefühlvoller Mensch. Dies wird wohl
jeder unterschreiben, der mich kennt. Gerade als Schauspielerin lebe ich von
dieser Welt, in der alles möglich ist, die Bandbreite vertikal und horizontal
kaum überblickbar. Jedes Mal, wenn ich mich bei einem Casting vorstellen musste
und gefragt wurde, warum ich denn Schauspielerin werden wollte, lautete meine
Antwort: „Die Schauspielerei erlaubt es mir, die gesamte Palette der Emotionen
zu durchleben und sie dem Zuschauer weiter zu geben. Ich habe die Chance
Menschen zu berühren.“
Ich liebe es, romantische Filme zu kucken, mir die Augen bei
traurigen Geschichten rot zu heulen und mit Freunden zu lachen, bis der Bauch
schmerzt. Ich bin Heldin darin, mich in Emotionen zu schmeissen und mich darin
selber beinahe zu verlieren. Oder ich war es zumindest. Denn heute unterscheide
ich klar zwischen Emotionen und Gefühlen und bei beiden Phänomenen auch
zwischen Beruf und Privatleben.
Emotionen sind immer unverarbeitete Gefühle aus der
Vergangenheit. Sie haben nichts mit dem Jetzt und Heute zu tun. Gewisse Situationen
lösen längst Vergangenes aus unserer Schatztruhe des Unverarbeiteten und lassen
es in grösstem Masse wieder aufleben.
Eva-Maria Zurhorst spricht in ihrem Buch "Liebe dich selbst und freu dich auf die nächste Krise" von genau dem
Phänomen und verweist auf die Schriftstellerin Diana Richardson, die gar eine
Auflistung erstellt hat, die Emotionen von Gefühlen unterscheiden lässt.
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass bei überwältigenden Emotionen eine dicke Mauer gefühlt, und alles eng wird; Sich die Welt nur noch verschwommen und wolkig
zeigt. Bei mir ist es im emotionalen Zustand so, dass ich den Eindruck habe, die Kontrolle völlig zu verlieren und von einer fremden Macht gesteuert zu werden.
Gefühle hingegen stammen aus dem Jetzt. Man ist mit sich selbst verbunden, offen, verletzlich, hat den Eindruck der Weite und der
Wahrheit. So jedenfalls fühlt es sich bei mir an, wenn ich mein Innerstes
offenbare. Dies hat auch wieder viel zu tun mit dem „Echt-sein“ und
„Bei-sich-sein“, worauf ich später gerne noch etwas vertiefter eingehen möchte,
da es eines der wichtigsten Punkte in meinem Sammelkörbchen der Erkenntnisse
darstellt.
Währenddem Gefühle also echt und wahrhaftig auf die
Situation bezogen sind, haben Emotionen überhaupt gar nichts im Hier verloren.
Manchmal fühlt es sich zwar toll an, all diese Kraft zu spüren und
rauszulassen, doch oft ist das Gegenüber dann ziemlich überfordert mit
diesem Schwall von Seelenballast, der ihm da um die Ohren geschleudert wird.
Als ich mir dessen erst einmal bewusst war, versuchte ich
bei aufsteigenden Emotionen inne zu halten. Mir ins Bewusstsein zu rufen, dass diese
Schmerzen im Moment nichts mit der Situation zu tun haben, sondern nur
mit meinen alten Verletzungen und den unverarbeiteten Dingen, die in mir schlummern und
endlich gehört werden möchten. Um Aufmerksamkeit buhlend, möchten sie sich endlich Gehör verschaffen - doch leider meistens in Momenten,
in denen sie überhaupt nicht zu suchen haben.
Wie wunderbar, dass ich als Schauspielerin diese
Emotionen doch im Beruf verarbeiten, und „legal“ damit jonglieren
kann. Leider ist dem nicht so. Wer wirklich echt sein möchte, auch als Mime,
muss sich seiner Emotionen und seiner Gefühle bewusst sein und die Ursachen
dafür kennen.
Wie oft habe ich versucht, alte Gefühle mir zunutze zu
machen und sie im richtigen Augenblick wieder hervorzurufen. Bei mir
funktionierte das nicht. Dieses ganze „
Method Acting“ schien
bei mir auf Granit zu stossen. Es war, als wären diese Verletzungen in einem
Tresor eingeschlossen und während der Schauspielerei hatte ich nicht den Hauch
einer Chance, an diese Emotionen heran zu kommen.
Heute weiss ich, dass ich nicht mit Unverarbeitetem arbeiten
kann. Es ist, als würde mein Unterbewusstsein meine alten Gefühle davor
schützen.
Ich habe nur Zugang zu Schmerz, dem ich in die Augen geschaut habe,
den ich angenommen und verarbeitet habe. So nützen auch einem guten Schauspieler viele gestaute und unsteuerbare Emotionen nichts. Was es hingegen in Hülle und Fülle braucht ist
Aufmerksamkeit, Bewusstsein und das Kennen des eigenen Selbst.
Vor der Kamera, wie auf jeder Bühne - auch der, des Lebens.
~Auszug aus meinem Buchprojekt~